LiveDabei – 1. Finale: HC Leipzig vs. Thüringer HC 21:27 (11:14)

Thüringer HC mit überragender Teamleistung auch in dieser Höhe verdienter Sieger

Unerwarteter Klassenunterschied in der spieltaktischen Leistung beider Topteams der Bundesliga

Überragendes Abwehrsystem und mentale Stärke sieht THC klar im Vorteil

HC Leipzig verspielt Aufwärtstrend der letzten Wochen in eigener Arena und fast schon alle Titelchancen

SPORT4Final-Interviews mit Jochen Holz (HCL-Co-Trainer), Axel Ehrhardt (HCL-Präsident) und Herbert Müller (THC-Cheftrainer)

 

Das erste Finalspiel um die deutsche Meisterschaft im Frauenhandball 2012/2013 war im würdevollen Rahmen mit 4.800 Zuschauern angerichtet. Deutschlands derzeitige beste Frauen-Teams standen mit dem „Herausforderer“ und Gastgeber HC Leipzig sowie dem Titelverteidiger Thüringer HC auf der Platte. Alles in allem Werbung und Appetit auf mehr im deutschen Handball, der auch mit der Nationalmannschaft im Juni in den WM-Qualifikationsspielen gegen die Ukraine seinen Aufwärtstrend bestätigen will.     [private]

Mit einer eindrucksvollen Teamleistung im Auswärtsspiel gewann der Thüringer HC auch in der Höhe völlig verdient mit 21:27 (11:14) gegen den HC Leipzig. Bereits in der 9. Minute musste HCL-Cheftrainer Ørneborg beim Stand von 1:5 die erste Auszeit nehmen. Sein Team agierte in der Anfangsphase sehr nervös und zeigte ein fehlerhaftes Spiel in Abwehr und Angriff. Auch kämpferisch ging der Gastgeber nicht mit dem nötigen Biss und Siegeswillen in die Partie. Die spielerischen Akzente setzten mit ihren Toren jeweils zweimal Wohlbold und Nadgornaja sowie Engel. Auf Leipziger Seite warf Visser in der 6. Minute bei 1:2 einen Siebenmeter über das Tor. Konzentrationsschwächen beim Torabschluss schienen an diesem Nachmittag auch ein leidiges HCL-Thema zu werden. Der Gastgeber kam nicht richtig, und dies über 60 Minuten lang, ins Spiel und die Gäste gewannen von Minute zu Minute sowohl mental als auch spielerisch die Oberhand. In der 18. Minute lag der Titelverteidiger beim 3:8 erstmals mit 5 Toren in Front. THC-Trainer Müller nahm bei 6:9 (22.) seine Auszeit, als er bemerkte, dass der HCL etwas besser über Kudlacz zu spielen begann. Dieser 3-Tore-Vorsprung des Thüringer HC blieb bis zum 11:14-Pausenstand weitestgehend stabil. Dabei hielt HCL-Torhüterin Schülke den Gastgeber mit 10 Paraden, darunter einen gehaltenen Siebenmeter, im Spiel. Denn sieben technische Fehler, mehrere Fehlabspiele und vergebene Torchancen auf HCL-Seite in der ersten Hälfte waren für ein Finale entschieden zu viel. Andererseits hatte der Thüringer HC gegenüber dem Gastgeber klare spieltaktische Vorteile im flexiblen, personenbezogenen 6:0-Abwehrverbund sowie auch im strukturierten Angriffsverhalten. Angeführt von der überragenden Spielmacherin Wohlbold (5 Tore) wurden oftmals durch schnelle Kreuzbewegungen oder Auflösung ins 2:4-Spiel die Rückraumhalben Nadgornaja (7 Tore) und Engel (5 Tore) in torgefährliche Wurfpositionen gebracht. Oder Wohlbold erzielte selbst im 1:1-Spiel ihre Tore. Eine Augenweide ihre Kreisanspiele auf Snelder (3 Tore), die auch etliche Strafwürfe herausholte.

In der zweiten Hälfte zog HCL-Trainer Ørneborg auch alle spieltaktischen Register. Mit zwei zentraleren Kreisspielerinnen und vier Rückraumschützen, wobei Kudlacz (6 Tore) zeitweilig am linken Kreis agierte, sollte das THC-Abwehrbollwerk im Zentrum aufgebrochen werden. Hubinger verkürzte mit dem 12:14 in der 32. Minute – Einleitung der großen Aufholjagd? Mitnichten. Über die Stationen 13:18 (37.) sowie 16:21 (44.) konnte der THC seinen beruhigenden Vorsprung halten. Allein der HCL-Rückraum mit Kudlacz, Hubinger und Visser (jeweils 5 Tore) sorgte für etwas Gefahr und konnte durch zwei Tore von Kudlacz auf 18:21 (47.) Tuchfühlung halten. Über den Kreis strahlte der Gastgeber aber sehr wenig Torgefahr aus und brachte den THC in wenig Verlegenheit. THC-Trainer Müller erkannte die Gefahr und „durchbrach“ mit seiner Auszeit den Spielfluss des HC Leipzig. Sofort legte der THC 3 Tore nach, März hielt einen Kudlacz-Siebenmeter und die Gäste zogen innerhalb von zwei Minuten spielentscheidend auf sechs Tore (18:24) davon. Trainer Ørneborg stellte nunmehr seine Abwehr auf das 3:2:1-System um. Dies kam eher dem strukturierten THC-Angriff mit Wohlbold entgegen, die mit guten Anspielen oder wiederum im Übergang auf 2:4 die THC-Tore vorbereitete. Der Titelverteidiger setzte seine spieltaktischen und psychologischen Vorteile bis zum größten Vorsprung bei 19:27 (58.) weiter um. Der HC Leipzig konnte im zweiten Spielabschnitt wiederum nur Vorteile auf der Torhüter-Position (11:9 Paraden) vorweisen. Im Deckungsverhalten und beim Torabschluss war keine Besserung in der zweiten Hälfte erkennbar. Zudem gestaltete sich wieder die technische Fehlerquote gegenüber den Gästen zu hoch. Der Gastgeber konnte ergebnistechnisch noch zum 21:27-Endstand verkürzen. Aus „Herausforderer-Sicht“ wurde der spielerische Aufwärtstrend der letzten Wochen in eigener Arena leichtfertig verspielt und damit fast schon alle Titelchancen. Wunder gibt es gerade bei Playoffs im Europapokalmodus schon hin und wieder – der HC Leipzig muss sich aber gewaltig steigern, um die überragende Teamleistung des Titelverteidigers kommenden Sonntag beim Finalrückspiel zu toppen und in einen 7-Tore-Meisterschaftssieg umzuwandeln.

SPORT4Final-Interviews:

Jochen Holz (Co-Trainer HC Leipzig)

Das 1. Finalspiel um die deutsche Meisterschaft ist Geschichte. Ihre Mannschaft hat über 60 Minuten nicht in ihr Spiel gefunden?

Jochen Holz: „Muss man leider so konstatieren. Wir haben vor allen Dingen in der Deckung, und das zeigen die 27 Tore, nicht das gebracht, was wir uns vorgenommen haben. Es müssen wenigstens 5 Tore weniger sein, die wir hier zulassen, dann haben wir hier eine Chance zu gewinnen. Das ist uns nicht gelungen. Gut, im Angriff natürlich auch viel Leerlauf, gerade in der Anfangsphase, und zu viele Fehler. So dass wir von Anfang an hinter her rennen mussten, das kommt dazu. Hauptursache ist aus meiner Sicht das mangelnde Deckungsverhalten, dass wir das nicht gelöst haben, die Truppe so in den Griff zu bekommen, wie wir uns das eigentlich vorgenommen hatten.“

Sie sind mit 3 Toren Rückstand in die zweite Halbzeit gegangen, haben dann in der Abwehr und im Angriff viel versucht, taktisch umgestellt und waren bei 18:21 wieder auf 3 Tore heran. Warum hat dies nicht funktioniert?

Jochen Holz: „Ja warum, weil wir eben nicht über 60 Minuten eine konstante Leistung gebracht haben. Gerade nach dem 18:21 und nach der Auszeit haben wir eine 0:3-Phase hinnehmen müssen und das ist eben das, was uns wieder das Genick bricht. Das ist eben so, leider, dass unsere Leistungsträgerinnen nicht in der Lage sind, konstant über 60 Minuten eine Topleistung abzuliefern.“

Sie hatten heute mit Katja Schülke die einzige, sehr gut spielende Leistungsträgerin. Aber in den Tempogegenstoß sind sie auch nicht gekommen?

Jochen Holz: „Nein, ich habe ja schon gesagt, in den Tempogegenstoß kann man nur kommen, wenn man in der Deckung entsprechend steht und die Bälle abfängt. Katja hat ihr Ding gemacht, keine Frage. Aber durch die vielen Gegentore ist es natürlich schwer, ins Konterspiel zu kommen.“

Bundestrainer Jensen hat sinngemäß bei der LVZ gesagt, dass der HCL mehr die raumbezogene 6:0-Deckung und der THC mehr die personenbezogene Abwehrvariante bevorzugt. Welche ist denn nun die erfolgreichere?

Jochen Holz: „Na, wie man sieht, wir haben ja nur 21 Tore geschafft. Nein. Aber wir sind, wie gesagt, vor allen Dingen nicht an das Leistungsniveau in der Deckung heran gekommen. Was wir eigentlich können und das ist unsere Stärke. Im Angriff sind wir sicherlich nicht die beste Mannschaft in Deutschland, aber in der Abwehr könnten wir es sein, wenn wir das über 60 Minuten schaffen. Und heute ging es mal wieder nicht.“

Abschließend bitte noch die Frage: Wie beurteilen Sie ihre Chancen für das Rückspiel?

Jochen Holz: „Ja gut, sieht man ja am Ergebnis. Wir können nur auf den Effekt hoffen, den Leverkusen auch geschafft hat, um sie dort zu ärgern. Und zu hoffen, dass sie nicht mehr ganz so konzentriert zu Hause an die Sache heran gehen, weil sie glauben, den Titel schon gewonnen zu haben. Wir werden natürlich nicht aufgeben, wir werden weiter machen, das ist ganz klar und schauen, was hinten raus kommt.“

Viel Erfolg trotzdem für das Rückspiel. Es ist ja, gerade auch im Sport, noch nicht alles verloren.

Axel Ehrhardt (Präsident des HC Leipzig)

Wie beurteilen Sie das Spiel und wie sehen Sie die Chancen für das Rückspiel?

Axel Ehrhardt: „Ja gut, wir haben heute natürlich nicht unser Leistungsniveau abgerufen, das, was wir uns vorgestellt haben. Das muss man einfach konstatieren. Aber gut, 6 Tore aufzuholen, im Handball ist alles möglich. Also, unwahrscheinlich ist gar nichts. Wir werden uns, wie heißt das so schön, den Mund abwischen, aufstehen und werden versuchen, in Bad Langensalza den Bock umzustoßen.“

Und eine dritte titellose Saison, wäre das ein Problem für den HC Leipzig?

Axel Ehrhardt: „Es ist nicht schön, aber natürlich kein Problem. Da geht die Welt noch nicht unter. Danach wird es den HCL auch weiter geben. Wir wollen natürlich immer gern Titel gewinnen, das ist überhaupt keine Frage. Wenn halt der Bessere deutscher Meister wird, muss man sich als Sportler verneigen und sagen, der hat das dann verdient.“

Alles Gute für das Rückspiel und vielen Dank für das kurze Interview.

Herbert Müller (Cheftrainer des Thüringer HC)

Herzlichen Glückwunsch, Herr Müller, zu einem überzeugenden Sieg. Sie haben den HC Leipzig über 60 Minuten nicht ins Spiel kommen lassen?

Herbert Müller: „Ja, wir wollten unser Spiel durchdrücken. Wir haben von Anfang an gesagt, wir schauen nur auf uns und das ist auch der Schlüssel, warum wir sie vorher zweimal so klar besiegt haben. Dass es aber heute so klar wird, war sicherlich nicht erwartungsgemäß, aber dafür umso erfreulicher.“

Was war der Schlüssel zum Erfolg heute?

Herbert Müller: „Unsere Kompaktheit, unser Wille, der Charakter dieser Truppe. Die hinter dem stehen, was wir tun, was wir uns erarbeiten und die mit unbedingtem Wille in so ein Spiel geht. Wir wissen, wir haben die Hauptrunde gewonnen, wir haben den Pokal gewonnen, wir würden ganz gern auch das Double nehmen, aber ich habe es schon gesagt, respektvoll und bescheiden bleiben. Es sind noch 60 Minuten, es ist erst Halbzeit, Aufmerksamkeit ist gefragt.“

Sie haben mit Ihrem Abwehrsystem immer wieder auf den Gegner und seine Umstellungen reagiert. Das war schon Klasse, oder?

Herbert Müller: „Ich denke, ich muss der ganzen Mannschaft ein Kompliment aussprechen. Im richtigen Moment waren wir da, wussten Antworten hinten und vorne und haben auch in dieser Höhe verdient gewonnen.“

Nadja Nadgornaja hat ein sehr gutes Spiel heute gemacht, nachdem sie in der Woche nicht trainieren konnte.

Herbert Müller: „Sie hat kein einziges Mal trainiert. Wir wussten bis heute nicht beim Aufwärmen, ob Nadja Nadgornaja und Petra Popluharova spielen können. Sie haben dann beide gesagt, sie lösen es gemeinsam. Petra besorgt die Verschnaufpausen für Nadja und da bin ich sehr dankbar für. Und auch das nochmal, das ist der Charakter der Mannschaft.“

Sie haben auch im Positionsangriff den HC Leipzig durch viele Kreuzbewegungen, viele sehr gute Anspiele an den Kreis auseinander gespielt.

Herbert Müller: „Ja, taktisch gut bemerkt von Ihnen. Wir wollten die Abwehr in Bewegung halten. Wir wissen ja, dass sie groß gewachsen sind. Dass sie darum den Block gut stellen können, wenn man sie nicht bewegt. Wir wollten auch die Geduld haben, um den Ball laufen zu lassen, Richtung Tor zu gehen, uns gefährlich zu machen und ich denke, uns ist heute wirklich viel gelungen.“

Und Sie haben auch in der zweiten Halbzeit, in der ersten war Schülke besser, das Torhüterinnen-Duell offen gestaltet. Daraus konnten Sie nach der Pause viel Sicherheit gewinnen.

Herbert Müller: „Ja, ich bin stolz auf Maike März. Ich will den Vergleich mit Schülke gar nicht anstellen. Das ist Leipzigs Problem. Wir müssen schauen, dass wir unser Ding von der Abwehr stabil kriegen, vom Torhüter her, und Maike hat heute ein herausragendes Spiel gemacht.“

Darf ich noch einmal auf ihr Angriffsverhalten zurückkommen. Sie lösen oft auf und gehen in das 2:4, aber immer nur über Wohlbold.

Herbert Müller: „Ja, wir wollten natürlich auch noch mal andere Elemente in die Playoffs rein bringen. Das ist ja auch eine Geschichte. Du kannst eine ganze Bundesliga-Saison spielen und der Gegner analysiert dich natürlich. Und da muss man natürlich noch ein bisschen was Neues bringen. Ein paar neue Aspekte, manchmal nur Kleinigkeiten, und ich denke, im Großen und Ganzen ist uns das ganz gut gelungen. Die Mannschaft hat das, was wir uns heute vorgenommen haben, optimal umgesetzt.“

Für mich war Kerstin Wohlbold heute die „Spielerin ihrer Mannschaft“, auch wenn Sie sicherlich niemanden hervorheben wollen. Sie hat im Angriff Ihr Konzept durchgesetzt.

Herbert Müller: „Wir gewinnen und verlieren als Mannschaft. Wir sind eine Einheit. Aber dass Kerstin meine Vorreiterin, mein verlängerter Arm auf dem Spielfeld ist, da stehe ich hundertprozentig dazu und was sie für eine Saison spielt, da möchte ich sie gern nach dem nächsten Spiel in die Arme nehmen und ihr die Meisterschale geben und sagen, Kerstin ich verneige mich vor Dir genauso, wie ich mich vor allen meinen Mädels verneige.“

Was wird denn in dieser Woche noch trainiert, weil, Sie haben ja heute alles gezeigt?

Herbert Müller: „Wir müssen nochmal mehr nächste Woche zeigen, weil wir nun in der absoluten Favoritenrolle sind. Wir können jetzt nur noch verlieren, weil an sich nun jeder erwartet, dass wir diesen Meistertitel auch holen. Wir müssen aufmerksam sein, die Spannung hatten wir schon gegen Leverkusen. Ich brauche absolut keine Spannung mehr, sondern ich will nur noch, dass wir uns genauso vorbereiten wie diese Woche, konzentriert unsere Arbeit machen, Ruhe bewahren, keine Euphorie zulassen und dann hoffentlich den Sack zu machen.“

Wenn Sie das Meisterschafts-Triple schaffen, was passiert dann mit Ihrer Mannschaft und mit Ihnen?

Herbert Müller: „Ich denke, man kann das abwarten und wenn es dann soweit ist, dann sind die besten Feiern immer die spontanen Feiern. Da wird uns sicherlich ganz viel einfallen, was lange gehen wird.“

Ich wünsche Ihnen alles Gute für die Woche und das Rückspiel am kommenden Sonntag. Ich denke, Sie sind in einer sehr guten Ausgangsposition.

Herbert Müller: „Das sind wir definitiv.“ 

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