Stefan Kretzschmar im SPORT4Final-Interview: „Christian Prokop mit ähnlicher Qualität wie Dagur Sigurdsson“

Stefan Kretzschmar im Medien Center der Jahrhunderthalle von Wroclaw nach dem wahnsinnigen Viertelfinale gegen Dänemark gesprochen und nun anderthalb Wochen später im Bundesliga-Alltag am SPORT4Final-Mikro.

Stefan Kretzschmar im SPORT4Final-Interview: „Christian Prokop mit ähnlicher Qualität wie Dagur Sigurdsson“ - Foto: Manfred Weber
Stefan Kretzschmar im SPORT4Final-Interview: „Christian Prokop mit ähnlicher Qualität wie Dagur Sigurdsson“ – Foto: Manfred Weber

Vor dem ersten Match nach der Handball-EM-Pause „seines“ SC DHfK Leipzig beim SC Magdeburg sprach SPORT4Final-Redakteur Frank Zepp mit dem allseits anerkannten Handball-Experten. Er erinnerte Stefan Kretzschmar an seine emotionale Ergriffenheit nach dem Sieg gegen Dänemark und stellte vergleichende Fragen zwischen der deutschen Handball-Nationalmannschaft sowie dem SC DHfK Leipzig.

09.02.2016 – SPORT4Final / Frank Zepp:

SPORT4Final-Redakteur Frank Zepp in Wroclaw

Welche Parallelen sehen Sie zwischen dem DHB- und dem DHfK-Modell?

Stefan Kretzschmar: „Es gibt Parallelen. Man kann sich hier in Leipzig natürlich nicht aus einem Fundus von 40 Spielern bedienen. Der Bundestrainer hat die Auswahl der Elite aus den Ligavereinen, die er einfach nominieren kann. Bei uns kostet das Geld, wenn wir Spieler holen. Das ist eine andere Herangehensweise. Man kann aber anhand der deutschen Nationalmannschaft sehen, was man erreicht, wenn man zusammenhält und eine Mannschaft, die der vermeintliche Underdog ist, beschließt, erfolgreich sein zu wollen. Bspw., wenn sie Stärken entwickelt, die sie vorher nicht hatte. Das ist ein Modell, das sich momentan alle Mannschaften auf die Fahne schreiben. Da sind wir nicht die einzigen. In der Hinrunde waren wir die Überraschungsmannschaft. Das wissen jetzt aber die restlichen Bundesligisten.“ 

Wie sieht der weitere Weg in der Arbeit mit jungen Spielern beim SC DHfK Leipzig aus?

Stefan Kretzschmar: „Das ist unser Weg, den wir gehen wollen und den wir gehen werden. Wir haben eine tolle Nachwuchsarbeit in Leipzig. Da kommt ein Remke, da kommt ein Semper und viele Talente, die in drei, vier Jahren eine Chance verdient hätten und in der ersten Mannschaft eine Rolle spielen können. Mit so jungen Spielern wird es allerdings auch Rückschläge geben. Diese Erfahrung wird auch die deutsche Nationalmannschaft noch machen. Dann darf man aber nicht verzweifeln. Man darf nicht in Verhaltensschemata fallen, dass man aus Panik kauft, wie es gerade Nettelstedt macht. Wir müssen durch ein Tal der Tränen gehen – mit der Konstellation, mit der wir erfolgreich waren. Dieses Tal wird kommen. Es wird nicht immer nur nach oben gehen. Von daher muss man die Nerven behalten. Was ich noch sagen möchte: Wir haben einen ganz tollen Trainer und die Philosophie, junge Spieler einzubauen. Einige externe Spieler werden wir uns dazu holen, wo wir glauben, dass sie in unser System passen. Aber es ist immer eine Frage der Teamchemie. Dafür sind auch unsere Anführer sehr wichtig. Da ist Philipp Pöter jemand, der uns sehr fehlen wird. Ihn muss man adäquat ersetzen und das wird nicht einfach.“ 

In Ihre Philosophie passt aber nach der Saison die Trennung von Philipp Weber nicht hinein?

Stefan Kretzschmar: „Ich halte Philipp für einen der talentiertesten Spieler in unserer Mannschaft. Er hat sogar Perspektiven als zukünftiger Nationalspieler. Wenn er davon heute sprach, dass er Profi ist, muss er auch den nächsten Schritt machen – mental als Anführer als auch mit seiner Einstellung zum Leistungssport. Irgendwann reicht Talent nicht mehr aus. Irgendwann muss man sich bewegen. Er ist ein toller Spieler. Es tut mir in der Seele weh, dass er den Verein nach dieser Saison verlässt. Aber kein Spieler ist wichtiger als der Verein. Man muss die Entwicklung und die Ausrichtung des Vereins betrachten.“

Bei der Handball EM in Polen war das große deutsche Plus die taktische Variabilität bei Dagur Sigurdsson und dem DHB-Team. Ist Christian Prokop auch auf diesem Weg?

Stefan Kretzschmar: „Ja. Er lernt immer dazu und interessiert sich für alles. Er ist ein wahnsinniger Handball-Fachmann, der sich unendlich viele Videos anguckt. Das ist auch unser Erfolgsgeheimnis der Hinrunde gewesen. Prokop hat so viele taktische Mittel gefunden, die man häufig gar nicht sieht. Wenn man erkennt, wie er jeden einzelnen Spieler taktisch ausrichtet und wie detailverliebt er da ist, befindet er sich auch auf dem Niveau, auf dem Dagur Sigurdsson mit der Nationalmannschaft ist. Er ist ein total verrückter Handballfan, von dem wir hier in Leipzig in der Hinrunde enorm profitiert haben. Er bildet sich von sich aus weiter, um sich neue Sachen einfallen zu lassen. Da haben wir einen Trainer mit ähnlicher Qualität.“ 

Vielen Dank für das Interview, Stefan Kretzschmar.

Rückblick: Handball-EM 2016 in Polen mit Deutschland als Europameister

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