Exklusiv-Interview mit Herbert Müller (Thüringer HC): „Wir freuen uns auf diese Wahnsinnsaufgabe. Aus dem momentanen Tiefpunkt kommen wir wieder raus!“

31.01.2014 – SPORT4Final:

SPORT4Final-Redakteur Frank Zepp sprach exklusiv mit Herbert Müller, Cheftrainer des Thüringer HC, vor dem ersten Spiel in der Champions-League-Hauptrunde am Sonntag bei Vardar Skopje.

Herbert Müller -  Foto: Mario Gentzel - pictureteam.com
Herbert Müller (Thüringer HC) – Foto: Mario Gentzel – pictureteam.com

Wie groß ist die Freude auf die Hauptrunde der Champions League, wenn man an Ihre längere Verletztenliste denkt und sieht, dass die Mannschaft momentan nicht so konstant und wahrscheinlich auch nicht entsprechend Ihrer Vorstellungen spielt?

Herbert Müller: „Die letzten zwei, drei Wochen waren schon hammerhart, weil neben den Langzeitverletzten Kerstin Wohlbold und Lydia Jakubisova nun auch noch die Verletzung von Anja Althaus dazu kommt. Sie wird wahrscheinlich die ganze Champions League ausfallen. Sie ist gestern operiert worden. Gott sei Dank waren es keine Kreuzbänder. Dann musste Sonja Frey pausieren und Jana Krause konnte die ganze letzte Woche nicht trainieren. Danick Snelder hatte den Nasenbeinbruch, sie ist jetzt gerade zurückgekommen. Also, es hat sich schon extrem summiert, so dass wir teilweise nur mit acht Leuten im Training waren. Das hat sich natürlich ausgewirkt. Wir sind in den Januar super gut herein gekommen, haben gut gespielt und jetzt ist momentan so ein bisschen ein Tiefpunkt da, aus dem wir wieder heraus kommen müssen. Jetzt kommt die Champions League und ich bin froh, dass wir am Mittwoch gegen Koblenz klar gewonnen haben und jetzt freuen wir uns natürlich auf diese Wahnsinnsaufgabe, Deutschland unter den letzten Acht in Europa zu vertreten.“

Es ist aber jetzt für Sie angesichts der von Ihnen beschriebenen Situation beim Thüringer HC eine noch viel schwierigere Aufgabe, gegen ein Team Skopje mit Weltklassespielerinnen wie Andrea Lekic, Ana Djokic, Maja Zebic, Jovanka Radicevic, Amandine Leynaud zu spielen?

Herbert Müller: „Na klar. Wir sind in erster Linie mal stolz, die besten Acht erreicht zu haben. Das ist eine Supersache und jetzt nehmen wir es an. Wir können nicht den Kopf in den Sand stecken und rumjammern, das bringt nämlich überhaupt nichts. Wir werden uns zerreißen, um unsere Farben würdig zu vertreten. Wir werden nichts herschenken, obwohl wir natürlich wissen, dass wir in einer absoluten krassen Außenseiter-Rolle sind. Vor allem in Skopje, die sind natürlich auf einem absoluten Weg, eine Handballmacht zu werden, vielleicht die Führungsmannschaft in ganz Europa.“

Heute ist noch Videostudium. Wir wollen Sie nach dem Ausfall von Anja Althaus Ihre Mannschaft in der Abwehr zusammen schweißen?

Herbert Müller: „Wir brauchen natürlich eine solide Deckung, müssen kompakt stehen. Wir müssen sehen und so stehen, dass der Gegner nicht zu leichten Toren kommt. Wir werden schnell spielen und da wird sich im Spielsystem nicht viel ändern. Wir werden nach der Analyse sehen, wo wir beim Gegner einhaken können. Aber wir wissen selber, dass es neben der Welthandballerin Andrea Lekic nur Superstars in dieser Truppe gibt. Wir werden einfach mit allem, was wir haben, dagegen halten und versuchen, unsere Stärken einzubringen. Weil Schwächen werden die nicht haben.“

Werden Sie Andrea Lekic in eine offensivere Deckung nehmen?

Herbert Müller: „Nein, erst recht nicht, weil sie so viele Aktionen hat. Es bringt nichts, jemanden versuchen heraus zu nehmen, wenn da noch 14, 15 Weltklassespielerinnen agieren. Grundsätzlich sollte man versuchen, bei den vielen Aktionen der Führungsspielerin des Gegners sie zu Fehlern zu zwingen oder Bälle zu nehmen, die nicht optimal vorbereitet sind.“

Ich habe Ihre beiden Leverkusenspiele gesehen. Da lagen doch wohl kleine Welten dazwischen?   

Herbert Müller: „Wir haben momentan so große Probleme mit der Chancenverwertung. Und dies hat sich auch gegen Koblenz fortgesetzt. Wir verschießen sogar Bälle, die man gar nicht glauben kann. Man verwürft schon mal den einen oder anderen Siebenmeter, aber was wir an Konterchancen liegen lassen oder Hundertprozentige, die wir frei nicht unterkriegen, das passt auf keine Kuhhaut. Da gilt es die Konzentration hoch zu halten, um eine gute Wurfquote zu haben, weil das natürlich gegen solche Gegner wie Skopje maximal bestraft wird. Und Mannschaften wie Leverkusen, die in der Bundesliga als Spitzenteam bestehen können, bestrafen dich dann auch. Und daran lag unser Ausscheiden.“

Ich hatte aber auch im Leverkusen-Pokalspiel den Eindruck, dass Schlüsselspielerinnen wie Nadja Nadgornaja, Alexandrina Barbosa mit vielen Abspiel-/technischen Fehlern trotz ihrer Feldtore, oder auch Maike März nicht in der optimalen Form sind.

Herbert Müller: „Ja, ich denke in den ganzen Szenen, die erfolgreich zu gestalten waren, Leverkusen stärker als wir war. Wir haben auch die Abpraller nicht bekommen. Wie Sie sagten, die Abstimmung zwischen Deckung und Torhüterin war nicht optimal. Alle haben ihre Probleme in diesem Spiel gehabt. Das muss man immer der ganzen Mannschaft sagen, denn wir spielen ja im Team zusammen.“  

Ich denke auch, dass Nadja Nadgornaja seit der Weltmeisterschaft noch nicht in der optimalen Form ist?

Herbert Müller: „Man darf nicht vergessen, dass Nadja sehr lange verletzt war. Sie ist eine Spielerin, die viele Trainingseinheiten, ihren Rhythmus und ihre Sicherheit braucht. Von daher bin ich mir sicher, dass wir noch viel Freude an ihr haben werden.“

Nach Skopje sind die beiden Heimspiele in der Hauptrunde gegen Midtjylland und Sävehof bereits richtungsweisende Matches?

Herbert Müller: „Die Gruppephase in der Hauptrunde ist ja nicht anders als in der Vorrunde. Wir werden eine alles überragende Mannschaft mit Vardar Skopje haben. Die wird ohne Probleme marschieren. Gegen die können wir befreit aufspielen, weil wir nichts zu verlieren haben, wo wir nur positiv überraschen können. D.h., wir können uns erst mal an die Champions League heran tasten. Die beiden Heimspiele sind dann aber ganz existenzielle Spiele, die du, wenn du in der Gruppe drinnen bleiben willst, gewinnen musst. Egal, wie die personelle Situation dann ist. Gewinnst du beide Heimspiele, haben wir eine super Ausgangslage. Es kann durchaus auch wieder zu einer Dreierkonstellation kommen. Darum ist es wichtig, die beiden Heimspiele erfolgreich zu gestalten.“

Sie sind in Skopje gesperrt und dürfen nur auf den Zuschauerrängen Platz nehmen. Wird Ihr Verein gegen die Sperre bzw. Strafe noch einmal in Einspruch gehen?

Herbert Müller: „Da gibt es nochmal eine Beratung mit unserem Rechtsanwalt. Diese findet heute Nachmittag statt. Dann werden wir eine Entscheidung treffen. Wir sind  enttäuscht und ich persönlich bin sehr traurig, über das was passiert ist. Weiter kann ich mich aber dazu nicht äußern, weil ja auch ein Teil der Strafe auf Bewährung ausgesetzt ist.“

Ich möchte Sie abschließend noch auf den 19. Februar gedanklich lenken. Befindet sich das Spiel gegen den HC Leipzig schon in Ihrem Hinterkopf?

Herbert Müller: „Selbstverständlich, auch wenn es noch weit weg ist, ist dies aber doch schon wieder nah. Man beschäftigt sich jetzt schon mit der Bundesliga noch intensiver, da wir aus dem Pokal ausgeschieden sind. Wir wissen, wie wichtig das Spiel werden wird.“   

Könnte bereits in der Meisterschaft eine Vorentscheidung fallen?

Herbert Müller: „Ich glaube, dass beide Mannschaften noch Punkte lassen werden. Leipzig hat sich jetzt auch seit vielen Spielen schwer getan, aber es zeigt auch von Stärke, wenn sie dann die ganzen Spiele, wo sie nicht gut gespielt haben, sehr knapp gewinnen und nach Hause schaukeln. Es liegt sicherlich auch an der Leistungsstärke einzelner Spielerinnen, die dann auch die internationale Erfahrung haben, um die Spiele noch knapp für sich zu entscheiden.“

Vielen Dank Herr Müller für das ausführliche Interview und einen guten Start in die Hauptrunde der Champions League am Sonntag in Skopje.  

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