Christian Prokop: „Entscheidend ist, dass die Mannschaft Weltklasse spielt.“

Stipvisite des Bundestrainers Christian Prokop in der Handball-Bundesliga in Leipzig.

SPORT4FINAL-Redakteur Frank Zepp sprach mit Christian Prokop in Vorbereitung auf die Handball EHF EURO 2018 in Kroatien. Deutschlands „bad boys“ gehen in dieses EM-Turnier als Titelverteidiger und für den Bundestrainer stellt es die erste große Herausforderung auf internationaler Bühne dar.

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17.09.2017 – SPORT4FINAL / Frank Zepp:

Christian Prokop, am Ende der vorletzten Saison, als Sie zum „Trainer der Saison“ geehrt wurden, fragte ich Sie, ob Sie schon gern einen großen europäischen Top-Club übernehmen würden – wenn ein Anruf aus Kiel oder Kielce käme. In der letzten Saison erfolgte die Berufung zum Bundestrainer Deutschlands. Wie weit sind Sie schon in dieses Amt hinein gewachsen?

Christian Prokop: „Erstmal kann ich sagen, dass diese Aufgabe viel Spass macht und sehr vielseitig ist. Mein Aufgabenbereich wird abgedeckt durch Spiele zu sehen, mit den Spielern in Kontakt zu sein und internationale Leistungen der Mannschaften zu analysieren. Das ist schon ein Beruf, der mich natürlich mit viel Stolz und gleichzeitig viel Verantwortung umgibt, weil ich weiß, was es bedeutet, Bundestrainer der deutschen Nationalmannschaft zu sein.“

Mit welcher Zielstellung gehen Sie zur Europameisterschaft nach Kroatien?

Christian Prokop: „Zielstellung ist, dass wir die Vorrunde mit einer möglichst optimalen Punkt-Ausbeute beenden. Das wird eine Herausforderung, weil das Mannschaften sind, die mit ganz viel Identifikation und Fan-Support antreten. Ob Slowenien oder Mazedonien mit dem amtierenden Champions-League-Sieger Skopje oder auch Montenegro – von daher müssen wir uns top präsentieren. Wenn man die Hauptrunde dann erreicht, trifft man auf Mannschaften wie Dänemark, Spanien oder Ungarn. Das wird in Varazdin ca. 20 km entfernt von der ungarischen Grenze sein – also das sind alles Aufgaben, die Stück für Stück optimal gespielt werden müssen.“

Verteidigung des Europameister-Titels darf keine Selbstverständlichkeit sein

Bedeutet dies weiter Halbfinale oder Titelverteidigung?

Christian Prokop: „Die Zielstellung habe ich gerade genannt. Wir wollen im Turnier Schritt für Schritt gehen. Es gibt sehr viele Mannschaften und Nationen, die mit ähnlichen Zielen nach Kroatien reisen werden. Aber eine Verteidigung des Europameister-Titels darf keine Selbstverständlichkeit sein. Das man den Europameister-Titel wiederholt darf auch nicht als Normalität angesehen werden. Sondern das muss man sich erkämpfen sowie erarbeiten und das wollen wir probieren.“

Christian Prokop - DHB Bundestrainer - Deutschland - bad boys - Foto: Sascha Klahn/DHB
Christian Prokop – DHB Bundestrainer – Deutschland – bad boys – Foto: Sascha Klahn/DHB

Worauf kommt es in den nächsten Monaten an? Die Mannschaft mit den 20 bis 30 sehr guten Spielern im Stamm weiter einzuspielen oder neue Spieler zu testen und zu integrieren?

Christian Prokop: „Der Fokus liegt eindeutig auf der Beobachtung der Leistungsfähigkeit der Bundesliga-Spieler. Damit verbringe ich jeden Bundesliga-Spieltag direkt oder am Computer. Danach werden Anfang Oktober die Nominierungen für den letzten Lehrgang vor der direkten EURO stattfinden. Dieser Kader wird etwas größer sein als für gewöhnlich, weil ich schon über einen breiten Stamm an Spielern verfüge und den möchte ich nochmal direkt sehen.“

Dann kommt Spanien im Doppel-Länderspiel. Das ist dann sicher eine echte Generalprobe vor der Europameisterschaft?

Christian Prokop: „Das kann man so sagen, weil Spanien eine Top-Nation ist, die einen speziellen Handball mit vielen erfahrenen Leuten spielt. In dieser Lehrgangs-Woche wollen wir an unserem System arbeiten. Aber auch Gegner orientiert diese Spiele bestreiten, um auch Werbung für den Fan-Support für uns in Kroatien zu machen. Denn es wird wichtig sein, dass uns viel Deutsche nach Kroatien folgen.“

Kampfgeist und ehrgeiziges Weiterarbeiten wird von allen Beteiligten gefragt sein

Im NDR-Sportclub überraschte mich Herr Delling mit der Frage nach Rune Dahmke. Ohne ihn wäre wir 2016 in Polen nicht in die Verlängerung des Halbfinals gegen Norwegen gekommen, wenn er sich nicht drei Sekunden vor Schluss die Halb-Chance genommen hätte. Für mich ist er schon ein Spieler europäischer Klasse und vom Leistungsvermögen nicht weit weg von Uwe Gensheimer. Wie sehen Sie Rune Dahmke?

Christian Prokop: „Fakt ist, dass Rune ein Spieler ist, der mit ganz viel Biss und Ehrgeiz an sich arbeitet. Man sieht es Woche für Woche, dass er es einfach hasst, zu verlieren. Das sind wichtige Voraussetzungen gerade wenn man Europameister geworden ist. In einer Konstellation, wo fast keiner mit einem gerechnet hat. Jetzt ist die Konstellation als Titelverteidiger anders. Umso mehr Kampfgeist und ehrgeiziges Weiterarbeiten wird von allen Beteiligten gefragt sein. Da ist Rune ein Spieler, der das verkörpert. Aber es gibt auch andere Spieler auf der Linksaußen-Position, die in der Bundesliga für Furore sorgen und auf sich aufmerksam machen. Da muss man gar nicht so weit weg gucken und dementsprechend muss ich dann eine Entscheidung treffen.“

Deutschland hat 2016 den Europameister-Titel, wie Bob Hanning damals sagte, fast mit der 1B-Mannschaft geholt. Haben wir zu wenig Weltklasse-Spieler im Team oder haben sich schon viele Akteure von 2016 zu Weltklasse-Spielern entwickelt?

Christian Prokop: „Entscheidend ist, dass die Mannschaft Weltklasse spielt. Das wird auch über Sieg und Niederlage entscheiden. Wir haben vielleicht nicht den einen Karabatic-Typ, der heraus ragt. Aber darüber bin ich nicht traurig, sondern ich wäre traurig, wenn wir uns in Egoismen und in Kleingruppen-Arbeit verzetteln würden. Das ist nicht unsere Philosophie. Wir wollen die Fans mit einem emotionalen Auftritt begeistern und mit einem Auftritt, der aus einem mannschaftlichen Guss erfolgt. Dementsprechend bin ich froh, viele Spieler hoher Qualität zur Verfügung zu haben.“

Bundesliga und europäische Spitze

Ist die derzeitige sportliche Ausgeglichenheit der Bundesliga ein Qualitätsmerkmal der „stärksten Liga der Welt“ oder gibt es doch Nachholebedarf zur europäischen Spitze?

Christian Prokop: „Die europäische Spitze wird gern mit der Champions League und dem Erreichen des Final4 charakterisiert. Da sind auch manchmal glückliche Umstände vorhanden. Das sind die Fragen: Wie kommt man gut durch eine Saison? Wieviel Verletzte hat man? Wie ist man in diesen direkten Topspielen dann drauf? Das gibt jetzt keine Rückschlüsse auf die europäische Spitze. Es ist einfach national schön zu sehen, dass man eine so ausgeglichene, starke Liga hat. Wer kann das noch von sich sagen? Da ist Frankreich etwas dran. Und das war es schon.“

Dann ist es kein besorgniserregendes Signal, dass wir im Champions League Final4 in diesem Jahr in Köln nicht vertreten waren?

Christian Prokop: „Besorgniserregend war es nicht. Es war sehr bitter und schade. Auch wegen der Konstellation, dass sich die Rhein-Neckar Löwen und der THW Kiel gegenseitig heraus geworfen haben. Aber es ist natürlich zu wünschen, dass dies in dieser Saison nicht wieder passiert.“

Woran wollen Sie in den nächsten Monaten vor der EURO mit den „bad boys“ noch spielerisch und taktisch arbeiten?

Christian Prokop: „Wir werden in vielen Bereichen des Handballspiels arbeiten. Unsere Abwehr muss aggressiv und intelligent den Spagat hinkriegen sowie eine unterschiedliche Gegner-Einstellung verstehen. Wir wollen am Tempospiel arbeiten. Es sind auch Dinge wie der siebente Feldspieler im Angriff für sehr viele Druck- und entscheidende Momente von Nöten – also dort möchten wir eine Sprache sprechen. Von daher wird das Stoffgebiet schon umfangreich vom taktischen sein.“

Wenn Sie sich neben der Gesundheit einen persönlichen Wunsch erfüllen könnten, was wäre dies bis zur EURO?

Christian Prokop: „Der Handball soll weiter mit positiven Schlagzeilen Werbung für sich machen. Die Bundesliga möge so stark und spannend bleiben sowie im Ranking der Zuschauer weiter wachsen.“

Vielen Dank für das ausführliche Interview, Herr Prokop.

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