Jürgen Klopp im SPORT1 Interview: „Nie perfekt sein zu müssen“

Jürgen Klopp im SPORT1 Interview - Copyright: Imago (über SPORT1)
Jürgen Klopp im SPORT1 Interview – Copyright: Imago (über SPORT1)

Jürgen Klopp, Cheftrainer des FC Liverpool, über die Final-Niederlage gegen Real Madrid in der Fußball UEFA Champions League:

„Ich kann es nicht mehr ändern. Und für das Leben ist es wichtig, den Umgang mit Niederlagen zu lernen.“

Jürgen Klopp im SPORT1 Podcast „Leadertalk“

08.09.2022PM SPORT1 / SPORT4FINAL / Frank Zepp:

Jürgen Klopp, Trainer des FC Liverpool, sprach im exklusiven SPORT1 Interview über die Niederlage im Finale der Fußball UEFA Champions League gegen Real Madrid, den verlorenen Meisterschaftskampf gegen Manchester City und seine spezielle Mannschaft. Zudem erzählt der 55-Jährige Jürgen Klopp, was er Thomas Tuchel beim FA-Cup-Finale ins Ohr flüsterte, und lobte Eintracht Frankfurt. Auszüge des Interviews mit Jürgen Klopp im Folgenden (Quelle: SPORT1):

Jürgen Klopp über …

die Final-Niederlage in der Champions League gegen Real Madrid: „Ich bin zu lange im Fußball-Geschäft dabei. Zudem hatte ich auch genügend Übung im Verlieren von einigen Endspielen. Es ist nicht so gewesen, dass es das erste Mal war. Deshalb habe ich mich schon vor langer Zeit davon verabschiedet, dass mich ein verlorenes Finale Lebenszeit kosten wird. Ich kann es nicht mehr ändern. Und für das Leben ist es wichtig, den Umgang mit Niederlagen zu lernen. Wir verlieren alle – ständig, täglich fast, wöchentlich – in unterschiedlichsten Situationen. Dabei geht es immer nur darum, wie man damit umgeht. Das dürfen wir alle unter der Glasglocke der Öffentlichkeit üben. Jeder, den ich getroffen habe, hat zu mir gesagt: ‚Ihr hättet gewinnen müssen, ihr wart klar besser.‘ Aber das ist Fußball. Im Spiel geht es nicht darum, wer ist besser, wer hat mehr Spielanteile, wer hat mehr Chancen, sondern: Wer nutzt diese und wer gewinnt am Ende das Spiel. Und das akzeptieren wir total.“

den verlorenen Meisterkampf gegen Manchester City: „In der Premier League ist es so, dass, wenn man in dreißig Jahren zurück schaut, nicht da steht, dass Liverpool dreimal Meister ist, sondern zweimal ManCity und einmal bis hierhin Liverpool. Aber keiner wird daran zurück denken, dass wir zwei englische Meisterschaften jeweils nur mit einem Punkt und trotz Rekord-Punktzahl (Anm. d. Red.: 2019 und 2022) verloren haben. Zudem wegen sehr unglücklicher Entscheidungen übers Jahr. So ist Sport eben. Das können wir nicht ändern. Ich habe das schon lange akzeptiert und überhaupt keine Wehmut, sondern vielmehr Lust darauf, es weiter zu probieren und Titel zu gewinnen.“

sein Selbstbewusstsein: „Der Grund, warum ich so selbstbewusst durchs Leben gehen konnte, ist, dass ich nie den Anspruch hatte, perfekt sein zu müssen. Für uns Menschen ist es sehr wichtig, unseren Weg zu finden, um glücklich zu sein. Und wenn man nicht der Beste ist, was ich nie war, muss es aber trotzdem Möglichkeiten geben, dass es mir gut geht. Und das hängt ausschließlich damit zusammen, wie ich mit meinen eigenen Situationen umgehe. Für mich ist ein Gewinner nicht jemand, der ständig gewinnt – die kenne ich überhaupt nicht – sondern derjenige, der es ständig versucht. Und es immer wieder versucht, dran bleibt und dran arbeitet, sich verbessert und Dinge ändert. Das sind für mich Gewinner in allen Lebensbereichen.“

die verpassten Bundesliga-Aufstiege mit dem FSV Mainz 05: „[Schmunzelt] Als ich als Mainzer Trainer nicht aufgestiegen bin, gab es 50 Prozent, die gesagt haben, wie großartig war das denn, was habt ihr denn für eine geile Saison gespielt. Und die anderen sagten: Ja, aber geschafft habt ihr es trotzdem nicht! Und ein Jahr später wieder (Anm. d. Red.: Platz 4 in der 2. Liga 2002 und 2003). Wir als Verein damals aber, als Mensch, haben so viel dazu gewonnen und so viel daraus gezogen. Fürs Leben gestählt sozusagen! Deshalb ist das für mich der richtige Zugang und deshalb lebe ich genauso. Das heißt: Was die Leute denken, ehrlich gesagt, ist mir ziemlich wurst.“

Gündogans Tor zum Titelgewinn für ManCity: „Wir haben zwei, drei Tage später telefoniert und ich habe Illy zur Meisterschaft gratuliert. Und Illy ist auch vom Platz gekommen und hat gesagt: ‚Ich habe auch nicht mehr daran geglaubt!‘ Und dann ist passiert, was passiert ist. Auch das ist wie im Leben. Wenn du kein Glück hast, dann hast du richtig die Scheiße am Schuh, sagen wir es mal genau so. City hatte an diesem Tag noch das Glück, die Bälle rein zu machen, und wir in dem Fall eben nicht.“

seine genauen Worte an Gündogan: „Glückwunsch, Penner [lacht]! Nein, das ist absolut fein. Ich habe mit keinem von City Probleme. Die haben es genauso verdient, wie wir es verdient hätten. Was in so einem Moment kommt, und es war nicht dieser Tag, sondern über die Saison sind so ein paar Dinge passiert, wo ein paar Sachen gegen uns gelaufen sind, wo ich an dem Tag gedacht habe: Wollen wir mal hoffen, dass es am Ende nicht entscheidend sein wird. Und dann verdrängst du es wieder und denkst nicht mehr dran. So Schiedsrichterentscheidungen – […] das kommt in diesem Moment hoch. Nichtsdestotrotz, das ist menschlich, dass man so kurz denkt. Aber das trage ich nicht lange mit mir herum. […] Und ich kann sagen: Heute würde ich hier sitzen und mich keinen Deut anders fühlen, wenn ich Meister geworden wäre und ein zweites Mal die Champions League gewonnen hätte.“

seine vier Finalteilnahmen in der Champions League in den letzten zehn Jahren: „Das ist absolut irre! Eine überragende Bilanz. [Pause] Ich habe das auch zu Thomas (Tuchel, Anm. d. Red.) vor dem FA-Cup-Finale gesagt, denn es war auch das erste Mal, dass sich zwei deutsche Trainer im Finale eines englischen Pokalwettbewerbs gegenüber standen. Im League Cup auch. Vor dem Finale haben wir uns abgeklatscht, umarmt und da habe ich ihm ins Ohr gesagt: ‚Es sollte uns nie passieren, dass wir so etwas als selbstverständlich hinnehmen.‘ Das ist Wahnsinn, historisch, und wird auch nicht jedes Jahr vorkommen oder häufig. Es war schon ein geiler Moment.“

seine Mannschaft: „Die Mannschaft ist bereit und hat das schon mehrfach bewiesen, weit über sich hinauszuwachsen. In entscheidenden Momenten hat sie unglaubliche Nervenstärke bewiesen und sich toll entwickelt. Die Jungs sind zu einer fantastischen Truppe zusammen gewachsen. Keiner dieser Jungs wird sagen – überall, wo er war – dass es genauso war wie hier. Es ist sehr speziell. Die Verbindungen mit den Fans. Die Verbindungen der Jungs untereinander. Und das in so einem großen Klub, wo man auch denken könnte, alles läuft hoch professionell ab. Wenn mich Kumpels fragen: ‚Wie ist es so bei euch?‘, dann sage ich: ‚In ganz vielen Bereichen wie eine A-Klasse. Klar, mit besseren Spielern und besseren Trainern. Aber: Vieles dieser ursprünglichen Gründe, die wir alle hatten, um zu kicken, die haben wir uns bewahrt.“

ManCitys Top-Transfer Erling Haaland: „Haaland ist ein außergewöhnlicher Fußballer und natürlich sind sie durch ihn stärker geworden. Man muss nur wissen – das sieht Pep genauso wie ich – dass es notwendig ist, die Mannschaft immer mal wieder neu zu mischen. Wir haben auch Spieler dazu bekommen und einen (Sadio Mane, Anm. d. Red.) verloren, der fast immer gespielt hat. Und das wird Zeit brauchen. Das gilt für City wie für uns. Aber wenn man sieht, wie City spielt, wie die Bälle in den Strafraum rein kommen. Wie Erling sich mit seinen langen Gräten in den richtigen Räumen aufhält, ist es kaum zu vermeiden, dass er Tore schießen wird – sehr viele sogar. City hat aber auch viele Spieler abgegeben und ist auch im Umbruch, sogar mehr als wir. […] Und die Saison ist verdammt lang und wird noch einmal unterbrochen durch die Fußball WM, kein Mensch hat eine Ahnung…“

die Entwicklung der Eintracht und den Sieg in der UEFA Europa-League: „Das fällt mir als Mainzer echt schwer, jetzt die Entwicklung von Eintracht Frankfurt zu loben [verzieht sein Gesicht]. Aber sie haben es echt gut gemacht. Ich kann mich erinnern, als die Eintracht in Barcelona gespielt hat. Ich gucke das Spiel natürlich [grinst] und von wie vielen Leuten, mit denen ich in Frankfurt zusammen studiert habe, habe ich SMS und Fotos geschickt bekommen: ‚Wir sind da!‘ Alle waren sie dort, diese Hornochsen, die ins Stadion gegangen sind und in diesem Fanblock standen [lacht], als ter Stegen raus gelaufen kam und ausgepfiffen wurde. Was wirklich witzig war. […] In Frankfurt ist eine richtige Euphorie ausgelöst worden. Und das hat mich für die vielen Eintracht-Fans, die ich kenne, tatsächlich auch gefreut. Das Spiel war überragend. Sie haben kein dahin gestolpertes Ding gewonnen, sondern ein sensationelles Spiel auf den Rasen gelegt und absolut verdient gewonnen. West Ham noch geschlagen. Das waren richtige Brocken. Und deshalb hoch verdient.“

Frankfurts Chancen in der Champions League und den Verlust von Kostic: „Ich geh‘ jetzt mal davon aus, dass Frankfurt nicht im ersten Jahr – seit was weiß ich wie vielen Jahren wieder in der Champions League, wenn überhaupt schon einmal – das Ding direkt gewinnen wird. Aber sie haben es verdammt gut gemacht. Aber bei Frankfurt muss man schon sehen: Kostic, ja oder nein. Das ist schon ein großer Unterschied. Kostic ist ein überragender Fußballer. Würden wir ein anderes System spielen, hätten wir über ihn auch nachgedacht. Ein toller Spieler.“

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