TU München: „UEFA Financial Fairplay“ begünstigt reiche Fußballvereine

TU München: „Financial Fairplay“ erschwert stärkeren Wettbewerb. Die Ungleichheit in den europäischen Fußballligen hat sich mit der Einführung des „UEFA Financial Fairplay“ weiter verstärkt. Damit verfehlt das Finanzregelwerk des europäischen Fußballverbands ein zentrales Ziel.

Ein Grund: Die Hürden für neue Investoren führen nicht zu mehr Wettbewerb, sondern benachteiligen offenbar kleinere Vereine. Dies zeigt die erste Studie zur Wirkung des Reglements, für die Ökonomen der Technischen Universität München Daten der fünf größten Ligen aus zehn Jahren untersucht haben.

Prof. Dr. Christoph Kaserer - TU München: „UEFA Financial Fairplay“ begünstigt reiche Fußballvereine - Foto: TU München
Prof. Dr. Christoph Kaserer – TU München: „UEFA Financial Fairplay“ begünstigt reiche Fußballvereine – Foto: TU München

08.09.2016 – PM TUM / SPORT4FINAL / Frank Zepp:

TU München: Investoren, die Vereinen mal eben den Kauf von drei teuren Stars finanzieren oder die Schulden eines Klubs auf einen Schlag tilgen: Viele Fans beklagen seit Jahren, dass es wegen der finanziellen Zustände im Fußball keinen fairen, spannenden Wettbewerb mehr gibt. Deshalb hat der europäische Fußballverband UEFA 2012 ein Regelwerk mit dem Namen „Financial Fairplay“ eingeführt. Die Vereine dürfen über bestimmte Zeiträume nicht deutlich mehr ausgeben als sie einnehmen, gewisse Schuldengrenzen nicht überschreiten und keine „marktunüblichen“ Zahlungen von Investoren annehmen.

Kann das „Financial Fairplay“ tatsächlich das wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen den Vereinen verringern? Um dies herauszufinden, haben Wirtschaftswissenschaftler der TU München erstmals die Wirkung des „Financial Fairplay“ empirisch untersucht. Mit umfangreichen Berechnungen werteten sie Daten der Spielzeiten 2004/2005 bis 2014/2015 der Ligen in Deutschland, England, Frankreich, Italien und Spanien aus. Dabei rechneten sie Liga-, Klub- und Saison-spezifische Effekte heraus, wie zum Beispiel Entwicklungen bei den Einnahmen aus TV-Rechten.

Noch größere Unterschiede beim Marktwert der Kader

Um zu bestimmen, wie viel Wettbewerb innerhalb der Ligen herrscht, analysierten die Ökonomen drei Kennzahlen: die Wettquoten der Spiele (als Anhaltspunkt, wie unsicher der Ausgang der Partien war), die Verteilung der Punkte in der Abschlusstabelle und den Punkteanteil der fünf erfolgreichsten Teams. Das Ergebnis: Nach der Einführung des „Financial Fairplay“ sank der Grad an Wettbewerb in den fünf Ligen signifikant.

Um den Gründen auf die Spur zu kommen, ermittelten die Wissenschaftler folgende Zusammenhänge: Je erfolgreicher Vereine in einem Jahr sind, desto mehr investieren sie vor der folgenden Saison in neue Spieler. Und je größer die Unterschiede im Marktwert der Mannschaften sind, desto weniger ausgeglichen ist der Wettbewerb. Diese Ergebnisse sind zunächst nicht überraschend. Doch die Studie zeigt, dass in der Zeit des „Financial Fairplay“ sowohl der Anteil der erfolgreichen Vereine am gesamten Transferbudget einer Liga als auch die Diskrepanzen zwischen den Marktwerten der Kader noch größer geworden ist.

„Das UEFA Financial Fair Play hat die Ungleichheit zwischen den Vereinen nicht verringert, sondern sogar weiter vergrößert“, sagte Studienautor Prof. Christoph Kaserer vom Lehrstuhl für Finanzmanagement und Kapitalmärkte der TU München.

Investoren wirken positiv auf den Wettbewerb

Eine mögliche Ursache fanden die Finanzexperten mit einer weiteren Analyse. Sie setzten den Wettbewerbsgrad in Beziehung zum Anteil der Vereine mit mindestens einem Investor und deren Zahlungen pro Saison. Das Ergebnis widerlegt landläufige Meinungen zum Einfluss der Geldgeber: Die Analyse zeigt, dass sich die Aktivität von Investoren positiv auf den Wettbewerb auswirkt. Doch nach der Einführung des „Financial Fairplay“ verringerte sich dieser Effekt – zum Vorteil der etablierten Klubs.

„Investoren können etablierte Strukturen aufbrechen und damit den Wettbewerb verstärken – ähnlich wie wir es von Risikokapital in der Wirtschaft kennen“, erklärte Co-Autor Dr. Daniel Urban. „Das Reglement der UEFA hat aber offenbar zu hohe Hürden für den Einstieg von Investoren bei kleineren Vereinen aufgebaut. Mögliche Geldgeber sehen aufgrund der Finanz-Deckelungen keine Chance, dass ein finanzschwacher Klub mit ihrem Investment eine international konkurrenzfähige Mannschaft entwickelt. Damit festigt das ‚Financial Fairplay’ bestehende Hierarchien.“

Ökonomen empfehlen mehr wirtschaftliche Transparenz

Die Studienautoren empfehlen deshalb, die „Financial Fairplay“-Regeln so zu ändern, dass auch kleinere Vereine für Investoren interessant werden, ohne das Ziel der Finanzstabilität aufzugeben. Die Bestimmungen, die für die Lizenzierungsperiode 2015 bis 2018 eingeführt wurden und den Vereinen gerade in Umbruch- oder Aufbauphasen eine größere Flexibilität gewähren, gingen in diese Richtung. Verbesserungsbedarf sehen die Autoren außerdem bei der wirtschaftlichen Transparenz der Vereine. Die UEFA könne beispielsweise die Regeln für die Berichterstattung verschärfen und Rechnungsprüfungen nach dem Vorbild von Aktiengesellschaften zur Pflicht machen.

„Die Vereine und die Fußballverbände könnten sich in der Wirtschaft anschauen, wie man freien Markt, Wettbewerbsregeln und gute Unternehmensführung verbindet“, sagte Kaserer. „Nach langen Debatten hat sich in der Corporate Governance der großen Unternehmen in den letzten 15 Jahren viel bewegt. Hier könnte der Fußball nachziehen, um die Akzeptanz der Fans nicht zu gefährden.“

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