Timo Werner bei Sport1 vor UEFA Champions League Finale

Timo Werner mit seinem Trainer Thomas Tuchel beim FC Chelsea - Copyright: Imago
Timo Werner mit seinem Trainer Thomas Tuchel beim FC Chelsea – Copyright: Imago

Timo Werner über die Liebe der Chelsea-Fans und ihren Song für ihn:

In Deutschland habe ich eine Zeit lang ziemlich viel Hass abbekommen. Ein Song wie dieser von den Chelsea-Fans ist dagegen etwas richtig Schönes, das ist natürlich etwas Balsam für die Seele.“

Timo Werner über seine Bankrolle im DFB-Team bei den vergangenen WM-Quali-Spielen.

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27.05.2021 – PM Sport1 / SPORT4FINAL / Frank Zepp:

Timo Werner, Stürmer-Star des FC Chelsea und der deutschen Nationalmannschaft, spricht im Exklusiv-Interview mit SPORT1 über seine erste Saison beim FC Chelsea und die Zuneigung der Fans, die bevorstehende Fußball-Europameisterschaft und den Wechsel von Joachim Löw zu Hansi Flick, seinen ehemaligen Coach und neuen Bayern-Trainer Julian Nagelsmann sowie seinen Umgang mit Druck und der Häme, die ihm oft entgegen geschlagen ist. Die wichtigsten Aussagen im Folgenden.

Sie haben es so weit gebracht, dass Ihnen die Fans des FC Chelsea ein Lied gewidmet haben und zuletzt gesungen haben: „I just can’t seem to get enough of, oh, oh, Timo Werner.“ Wie fühlt sich das für Sie an?

Timo Werner: „Ist ja nicht das erste Mal, auch in Deutschland gab es ja mal einen Song über mich, der leider negativ behaftet war. In Deutschland habe ich eine Zeit lang ziemlich viel Hass abbekommen. Ein Song wie dieser von den Chelsea-Fans ist dagegen etwas richtig Schönes, das ist natürlich etwas Balsam für die Seele. Wenn ich das auf dem Platz höre, dann pusht mich das. Es freut mich, dass ich beim FC Chelsea so angenommen werde.“

Trotz Ihrer komplizierten Premieren-Saison lieben Sie die Fans. Woran liegt das?

Timo Werner: „Ich glaube, die Fans mögen einfach mein Spiel: Dieses schnelle Sprinten nach vorne. Das schnelle, zielstrebige Spiel Richtung Tor. Das ist typisch für den englischen Fußball, und genauso, dass man auf dem Platz immer 100 Prozent gibt. Ich glaube, dass das hier in England am besten ankommt. Neulich habe ich im Spiel den Ball verloren und bin ihm nachgegangen. Dann habe ich den gegnerischen Spieler an der eigenen Eckfahne abgegrätscht und den Ball zurück gewonnen. Das haben die Fans mehr gefeiert als Tore und Torchancen. Daran erkennt man, was den Fans in England wichtig ist. Wenn ich als Stürmer mal eine Phase habe, in welcher ich wie zuletzt etwas das Pech am Fuß habe, kann ich es mit meinem Einsatz trotzdem schaffen, die Fans auf meine Seite zu bringen.“

Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer ersten Saison in England?

Timo Werner: „Ich habe mich und mein Spiel im Vergleich zu meinen Bundesliga-Zeiten deutlich verändert: Ich spiele jetzt viel körperlicher, setze meinen Körper viel mehr ein und bin robuster geworden. Die Erwartungen an mich waren am Anfang der Saison etwas größer, als ich sie tatsächlich auf dem Platz erfüllen konnte. Auch was die Tore betrifft, da bin ich natürlich nicht zufrieden mit meiner Ausbeute. Umso mehr freut es mich, dass ich trotzdem so angenommen werde und meine Spielweise wertgeschätzt wird.“

Sie haben kürzlich von der „schwierigsten“ und „unglücklichsten Saison“ Ihrer Profikarriere gesprochen. Bereuen Sie den Wechsel zum FC Chelsea?

Timo Werner: „Klares Nein! Ich bin mit diesen Worten nicht hart mit mir ins Gericht gegangen, das war einfach aus meiner Sicht die Wahrheit. Was soll ich sagen? Mir wurden sechs oder sieben Tore aberkannt, weil ich gefühlt einen Zentimeter im Abseits war. Wenn die Linie vom VAR anders gezogen worden wäre, dann hätte man auf gleiche Höhe entscheiden können. Unter dem Strich bin ich aber trotzdem nicht unzufrieden. Wenn mir vor der Saison jemand gesagt hätte ‚Du bist zweistellig bei Toren und Assists, ihr kommt in die Top-Vier, in das FA Cup-Finale und Champions League Finale‘, hätte ich das sofort unterschrieben. Auch wenn ich nicht verhehle, dass ich zwischendurch eine schwierige Phase hatte, als ich einfachste Torchancen, auch beim DFB, hergeschenkt habe oder meine Torschüsse daneben gegangen sind.“

Wie unfair war es von Joachim Löw, dass Sie in der WM-Quali zuletzt dreimal von der Bank kamen?

Timo Werner: „Wenn wir uns nur mal die offensiven Positionen anschauen und davon ausgehen, dass wir mit Viererkette spielen, dann haben wir für sechs Positionen neun Spieler, die es alle verdient haben, zu spielen. Man könnte jeden spielen lassen und würde keinen Leistungsabfall erkennen, sie sind alle auf dem gleichen Niveau. Trotzdem war ich ein wenig überrascht, dass ich beim letzten Lehrgang so wenig gespielt habe, weil ich davor fast jedes Spiel über 90 Minuten absolviert habe. Und in den Spielen zuvor war ich relativ treffsicher beim DFB.“

EM-Gegner wie Frankreich oder Portugal werden offensiver spielen. Könnte das Ihrer Spielweise zu Gute kommen?

Timo Werner: „Ja, bei der Fußball EM wird sich die Situation anders darstellen. Wir haben dort andere Kaliber an Gegnern als in den Qualifikations-Spielen. Dann werden andere Attribute gefragt sein. Wie es der Bundestrainer damals auch sagte, waren es zuletzt tiefstehende Gegner, die sich mit Mann und Maus hinten rein gestellt haben. Jetzt spielen wir gegen Teams, gegen die ich hinter der Kette Platz bekomme. Natürlich gehe ich mit der Ambition in die EM, dass ich so viel wie möglich spielen und Tore schießen will.“

Jogi Löw hat die Spieler, die bei ihm zu 100 Prozent gesetzt sind, vor der offiziellen Kader-Nominierung nicht angerufen. Wie war es mit Ihnen?

Timo Werner: „Der Bundestrainer hat mich nicht angerufen. Er hat nach den drei vergangenen Länderspielen nochmal mit mir geredet und mir erklärt, dass ich ein sehr wichtiger Spieler für ihn für die EM bin. Er sagte, dass es drei Spiele waren, die unabhängig davon sind, ob man bei der EM spielt oder nicht. Mit Joachim Löw kann man ohnehin sehr offen reden. Ich habe ihm dann auch gesagt, dass ich ein wenig verwundert war, dass ich so wenig gespielt habe, weil ich davor relativ häufig getroffen habe, auch gegen gute Mannschaften. Denn wir haben in der Nations League nicht gegen schwache Mannschaften gespielt. Er hat mir jedenfalls klar signalisiert, dass ich ein wichtiger Faktor für die EM bin.“

Ist die deutsche Nationalmannschaft eine Wundertüte, für die am Ende sogar der EM-Titel möglich ist?

Timo Werner: „Natürlich wissen wir nicht so richtig, wo wir stehen. Aber die Qualität, die EM zu gewinnen, ist bei uns auf jeden Fall vorhanden. Wir haben einen Kern von Bayern-Spielern, die letztes Jahr Champions-League-Sieger wurden. Wir haben einen Kern von Chelsea-Spielern, die jetzt im Finale stehen. Wir haben Spieler von Real Madrid, von Manchester City. Wir könnten eine Startaufstellung bilden, die über die letzten ein bis zwei Jahre stetig mindestens im Halbfinale der Königsklasse stand. Aber vielleicht tut uns das auch mal gut, mal nicht als Top-Favorit in das Turnier zu gehen, sondern als Underdog und wir dadurch etwas freier aufspielen können. […] Wenn wir über die Gruppenphase hinaus kommen, ist es erstens eine Verbesserung zur letzten Fußball WM und zweitens hätten wir eine super Gruppe überstanden. Vielleicht stehen wir am Ende im Viertelfinale oder im Halbfinale, obwohl das niemand erwartet hätte. Ich kenne diese Situation von Chelsea. Von uns hat auch niemand erwartet, dass wir im Finale der Champions League stehen. Wir haben uns einfach in einen Rausch gespielt. Vielleicht gelingt uns das bei der EM auch.“

Hansi Flick wird nach der EM neuer Bundestrainer. Eine gute Lösung?

Timo Werner: „Auf jeden Fall. Ich kenne ihn und habe immer mal wieder Kontakt mit ihm gehabt. Er ist ein sehr netter Mensch und wirklich ein super Trainer. Auch wenn ich bislang nicht in seiner Mannschaft gespielt habe, hatte er immer mal wieder aufmunternde Worte für mich. Und was er beim FC Bayern abgeliefert hat, kann man gar nicht mehr toppen. Er ist aus meiner Sicht der perfekte Mann für den DFB, weil er von seiner Ausstrahlung und Einstellung her zudem eine gewisse Ähnlichkeit zu Joachim Löw hat. Diese Schiene, die der jetzige Bundestrainer fährt, kann Hansi Flick sicher weiterfahren und mit seinen eigenen Ideen füllen. Er ist die perfekte Wahl.“

Unter Julian Nagelsmann haben Sie in Leipzig trainiert. Haben Sie mit seinem Wechsel zum FC Bayern gerechnet? Auf was müssen sich die Spieler gefasst macht?

Timo Werner: „Es war relativ klar für mich, dass er irgendwann Bayern-Trainer wird. Ich kenne ihn gut, war zuletzt auch immer mal wieder mit ihm im Kontakt. Er hat außerdem selbst gesagt, dass es für ihn immer schon ein Traum war, Trainer des FC Bayern zu werden. Man kann ihn als Fußballverrückten bezeichnen, der taktisch alles drauf hat. Er kann dir alles erklären im Fußball und die Spieler auf jeden Fall besser machen. Er hat bisher jede Mannschaft auf ein deutlich höheres Niveau gehoben. Ich persönlich hätte mir einen anderen Trainer für die Bayern gewünscht, denn so wird der FC Bayern in der Champions League immer ein gefährlicher Gegner für uns sein. Mit dem Spielerpotential und den Fähigkeiten, die Julian hat, kann Bayern sehr, sehr gut werden. Ähnlich wie unter Flick.“

Nochmal zurück zum Anfang. In den vergangenen Jahren haben Sie trotz Ihres jungen Alters viel Kritik und Häme abbekommen. Was hat das mit Ihnen gemacht?

Timo Werner: „Mich haut so schnell wirklich nichts mehr um! Sicherlich ist das Fell, was ich mir über die Jahre zugelegt habe, nochmal etwas dicker geworden in den letzten Monaten. Unsere Gesellschaft ist leider immer mehr darauf fokussiert, Fehler zu suchen, anstatt die guten Dinge hervor zu heben. Und auch die englische Presse ist nicht gerade zimperlich. Ich versuche, immer weniger über mich zu lesen. Denn ich bin nur ein Mensch und jeder nimmt sich das irgendwann mal zu Herzen und macht sich seine Gedanken. Wie bereits gesagt, versuche ich aber immer, solche Dinge auch mit Humor zu nehmen. Manchmal ist Lachen die beste Medizin gegen Eigenfrust. Ich muss zum Beispiel zugeben, dass ich über diesen mazedonischen Pass nach meinem Fehlschuss selbst gelacht habe.“

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