Bob Hanning im SPORT4Final-Interview: „Scheitert die Heim-WM 2017, scheitert der Frauen-Handball“

Bob Hanning, DHB-Vizepräsident Leistungssport und Delegationsleiter bei der Handball EM der Männer in Polen, sorgte nach dem sensationellen Titel-Erfolg der Männer-Nationalmannschaft von Bundestrainer Dagur Sigurdsson für die zweite, kleinere „mediale Überraschung“.

Bob Hanning und Dagur Sigurdsson (li.) beim DHB-Medientag während der Handball EM 2016 in Polen - Foto: SPORT4Final
Bob Hanning und Dagur Sigurdsson (li.) beim DHB-Medientag während der Handball EM 2016 in Polen – Foto: SPORT4Final

Im Interview mit SPORT4Final-Redakteur Frank Zepp analysierte Bob Hanning nach dem 13. Platz bei der Handball-Weltmeisterschaft im Dezember 2015 in Dänemark den derzeitigen Entwicklungsstand des Frauen-Handballs in Deutschland.

SPORT4Final-Redakteur Frank Zepp in Krakow

04.02.2016 – SPORT4Final / Frank Zepp:

Herr Hanning, wie bewerten Sie den 13. Platz der deutschen Frauen-Nationalmannschaft bei der Handball-Weltmeisterschaft 2015 in Dänemark?

Bob Hanning: „Ich glaube, wir können grundsätzlich mit dem Ergebnis der Frauen sehr zufrieden sein. Wir hatten gute Spiele in der Vorrunde. Wir haben uns für das Achtelfinale qualifiziert. Dann kommt Norwegen als die beste Mannschaft der Welt. Da haben wir ein gutes Spiel gemacht und das darf man auch durchaus verlieren. Von daher war ich mit der Platzierung an sich zufrieden.“

Welche Baustellen haben wir im Frauen-Handball bis zur Heim-Weltmeisterschaft im Dezember 2017 fertig zu stellen?

Bob Hanning: „Das Hauptthema ist: Wir müssen die HBF und den DHB und die handelnden Personen, ähnlich wir bei den Männern, zusammen führen. Nur wenn uns das gelingt und es ein großes Verständnis des Miteinanders gibt, haben die Frauen überhaupt eine Chance. Man darf nicht übereinander sondern miteinander reden. Eine ‚Drei-Euro-Phrasenschwein-Äußerung‘, aber in dem Fall absolut relevant. Das muss gelingen. Da bin ich mir sicher, dass das funktioniert. Wir brauchen einen abgestimmten Plan für die Handball WM 2017, was wir auch in Vorbereitung für die Frauen haben. Und die Bundesliga-Trainer müssen aktiv daran mitarbeiten.“

Gab es schon eine sportliche Auswertung bzw. Analyse der Handball WM in Dänemark durch den Trainerstab?

Bob Hanning: „Es liegt eine Auswertung in der Tat vor. Diese wird jetzt im großen Kreis nochmal besprochen, analysiert und daraus werden Schlüsse gezogen.“

Jakob Vestergaard ist seit Frühjahr 2015 Bundestrainer und er begann die Neuformierung der Mannschaft erst im Herbst letzten Jahres. Da haben wir doch erheblich Zeit verloren?

Bob Hanning: „Haben wir. Aber das haben wir auch erkannt. Es war der Versuch, mit dem alten Kader in die Erfolgsspur zurück zu kommen. Da muss man klar sagen: Es ist nicht gelungen. Der Versuch war es wert. Wir haben auch alle dahinter gestanden. Er ist gescheitert. Und wenn etwas scheitert, dann muss man den Mut haben, etwas Neues zu machen. Den Mut hatte der DHB. Wir haben einen Trainerrat installiert. Wir haben die Mannschaft umgebaut. Wir haben einen Schritt nach vorn gemacht. Von hinten heraus Dinge zu analysieren ist immer leichter als von vornherein Entscheidungen zu treffen. Von daher finde ich die Entscheidung, wie sie getroffen wurde, völlig richtig. Auch die Entscheidung der Erneuerung war völlig richtig.“

Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach die Weiterentwicklung der Topvereine? In Herning sagten mir viele Nationaltrainer, dass man in der Champions League die Spielerinnen noch schneller weiter entwickeln kann?

Bob Hanning: „Das ist auch so. Und da sind die Bundesliga-Vereine gefordert. Da sind wir wieder bei der Professionalisierung der HBF. Sie haben sich gerade mit Christoph Wendt jemanden aus der Männer-Bundesliga geholt. Ich hoffe, dass er viele positive Akzente setzen kann. Ich hoffe auch auf ein gutes Miteinander und eine erfolgreiche Weiterentwicklung. Eine Sache kann ich prognostizieren: Scheitert die Handball-WM im eigenen Land, scheitert der Frauen-Handball.“

Der Männer-Handball läuft, die Finanzen sind in Ordnung. Was sind im Frauen-Handball die nächsten konkreten Schritte?

Bob Hanning: „Es gibt noch so viele Dinge im Umbau des Verbandes und der Professionalisierung. Ob das ein Medienstab ist oder ob das eine Strukturveränderung innerhalb des Verbandes ist. Es laufen viele Dinge hundertprozentig in die richtige Richtung. Die Menschen, die wir jetzt an den Spitzenpositionen haben, machen alle einen exzellenten Job. Trotzdem müssen wir noch drei oder vier Plateaus überspringen, um den Verband noch dahin zu bringen, wo wir ihn alle gemeinsam gern sehen wollen. Einen modernen Verband zu entwickeln, braucht eben auch seine Zeit. Ich habe den Eindruck, dass unter der Leitung von Andreas Michelmann und Mark Schober dies auch gelingen kann.“

Schafft Jakob Vestergaard bei der Handball-EM in diesem Jahr in Schweden auch die sportliche Wende im Frauen-Handball wie Dagur Sigurdsson bei den Männern?

Bob Hanning: „Es gibt keinen, der es ihm mehr wünschen würde, als ich es tue. Es würde viele Dinge erleichtern, weil Erfolg die Dinge immer einfacher macht und du nicht so viel darüber diskutieren musst. Heute diskutiert keiner mehr über Dagur Sigurdsson. Vor zwei Jahren hat man das getan. Von daher wäre es schön. Ich glaube an die Achse Jakob Vestergaard und Jens Pfänder.“

Das Medieninteresse ist bei den Männern riesig. Was kann der DHB bei den Frauen diesbezüglich für die Medien einerseits oder andererseits die Medien für den DHB tun, um die Frauen mehr in die öffentliche Wahrnehmung zu bringen?

Bob Hanning: „Jetzt sitzt er ja gerade neben uns. Ich glaube, was Pressesprecher Tim Oliver Kalle für die Frauen tut, das Maximum dessen ist, was der DHB auch für den Frauen-Handball tun kann. Ich denke, so traurig es ist, dass das Interesse grundsätzlich von den Medienvertretern deutlich geringer für den Frauen-Handball als für den Männer-Handball ist. Was wir machen können sind Geschichten zu produzieren, um näher heran zu kommen. Da werden wir uns nochmal zusammensetzen und einen Schlachtplan Richtung Frauen-WM machen. Mein Wissensstand ist, dass unser Pressesprecher gerade daran arbeitet, den Weg zur WM 2017 zu entwickeln. Dann werden wir versuchen, wenn die Geschichten nicht zu uns kommen, diese zu den Leuten zu bringen.“

Vielen Dank für das Interview, Herr Hanning.

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