Sportgeschichte: Heinz Schöbel – Erstes IOC-Mitglied der DDR zum 100. Geburtstag

08.10.2013 – PM – DOSB:

Es war einige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, als in den fünfziger Jahren als Folge der Teilung Nachkriegsdeutschlands und des Aufbaus getrennter Sportorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR die „querelles allemands“ immer wieder die Exekutive des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) beschäftigten .Schlüsselfigur bei diesen Auseinandersetzungen war der damalige amerikanische IOC-Präsident Avery Brundage, der sich nachdrücklich um die Bildung einer gesamtdeutschen Olympiamannschaft bemühte. Aufgrund persönlicher Verärgerung über Vorkommnisse bei früheren Verhandlungen mit dem NOK der DDR forderte er im September 1954 schriftlich in ultimativer Form als Voraussetzung für weitere Verhandlungen des IOC mit dem DDR-NOK einen personellen Wechsel in dessen Führung und den Rücktritt des Präsidenten Kurt Edel.

Bei der nächsten Mitgliederversammlung des NOK der DDR am 26. Februar 1955 wurde von den Delegierten dieser ungewöhnlichen Forderung von Brundage entsprochen und anstelle des „im Interesse der olympischen Anerkennung der DDR“ zurückgetretenem Kurt Edel der Präsident des Deutschen Fußball-Verbandes der DDR (DFV) und Leipziger Verlagsleiter Heinz Schöbel zum neuen Präsidenten des NOK der DDR gewählt.

Heinz Schöbel kam aus der deutschen Arbeiter-Turn- und Sportbewegung und stammte aus einer Leipziger Arbeiterfamilie. Er wurde am 14. Oktober 1913 in Leipzig geboren und absolvierte nach dem Besuch der Volksschule von 1928 bis 1931 eine Ausbildung zum Buchhändler. Seine sportliche Laufbahn begann er als aktiver Fußballer im ATSB Leipzig, beruflich stieg Heinz Schöbel 1938 zum Abteilungsleiter und Prokuristen des Paul-List-Verlages in seiner Heimatstadt auf, den er ab 1945 auch als Treuhänder leitete. Am Zweiten Weltkrieg nahm er von 1939 bis 1945 als Wachtmeister in einem Artillerieregiment teil.

Seine politische Laufbahn startete Heinz Schöbel nach Ende des Zweiten Weltkriegs zunächst 1945 in der SPD und gehörte nach dem Zusammenschluss von KPD und SPD in der Ostzone ab 1946 der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) an. Er gründete 1949 den Fachbuch-verlag Leipzig und wurde dessen Leiter. Von 1968 bis 1978 leitete er als Direktor den Deutschen Verlag für Grundstoffindustrie.

Als im April 1950 durch den Deutschen Sportausschuss (DS), den Vorgänger des DTSB, die Umwandlung der Sportvereine in der DDR in Betriebssportgemeinschaften beschlossen wurde, zählte Heinz Schöbel zu den Mitbegründern der BSG Rotation Leipzig und wurde Mannschafts-leiter der 1. Fußballmannschaft. Von 1953 bis 1958 war er Vorsitzender der Sektion Fußball des Deutschen Sportausschusses, der Vorläuferin des Deutschen Fußball-Verbandes der DDR. Nach seiner Wahl im Februar 1955 amtierte Heinz Schöbel bis zum 16. März 1973 als NOK-Präsident, als er „auf persönlichen Wunsch“ von dieser Funktion „entbunden“ wurde, um für DTSB-Präsident Manfred Ewald Platz zu machen.

1966 war Heinz Schöbel als erster Sportrepräsentant der DDR in das IOC aufgenommen worden, eine Berufung, die Schöbel in seinem Wirken stets mit gewisser politischer Zurückhaltung zu würdigen wusste.

Der Verleger und sporthistorische Publizist Schöbel wurde auch durch seine Bücher „Olympia und seine Spiele“, erstmals 1965 im Sportverlag Berlin erschienen, und die Biographie „Die vier Dimensionen des Avery Brundage“ bekannt. Von der Deutschen Hochschule für Körperkultur Leipzig (DHfK) wurde ihm 1960 der Titel eines Ehrendoktors verliehen. Hohe staatliche Aus-zeichnungen waren die dreimalige Verleihung des Vaterländischen Verdienstordens sowie des Sterns der Völkerfreundschaft.

Der erfolgreiche Auftritt des Olympiateams der DDR bei den Olympischen Spielen 1972 in München zählte sicherlich zu den Höhepunkten in der Laufbahn von Heinz Schöbel als Sport-funktionär. So musste den damals knapp 60-Jährigen sieben Monate später der mit vorgeschobenen Gründen erzwungene Rücktritt vom Amt des NOK-Präsidenten besonders getroffen haben.

Trotz der verständlichen Verbitterung blieb Heinz Schöbel als Mitglied des IOC für weitere sieben Jahren ein anerkannter und respektierter Botschafter seines Landes in der Sportwelt. Die Olympischen Spiele 1980 in Moskau, die ersten Spiele in einem „sozialistischen Bruderland“ der DDR, konnte Heinz Schöbel nicht mehr miterleben. Am 25. April 1980 starb er im Alter von erst 66 Jahren in seiner Heimatstadt.

Friedrich Mevert

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