Volleyball-EM: Überragende deutsche Frauen gewinnen Silber

15.09.2013 – PM – SPORT4Final:

1:3 gegen Russland im hochklassigen Finale

Belgien schreibt Geschichte – EM-Bronze durch 3:2 gegen Serbien

Die deutschen Frauen haben sich den Traum von Gold bei der Volleyball-EM nicht erfüllen können, mit der abermaligen Silbermedaille aber ein phantastisches Ergebnis erzielt: Vor 8.513 Zuschauern in der ausverkauften Berliner Max-Schmeling-Halle unterlag die Mannschaft von Bundestrainer Giovanni Guidetti Weltmeister Russland nach starker Leistung 1:3 (23-25, 25-23, 23-25, 14-25). Es war in der Historie die elfte EM-Medaille für deutsche Frauen-Nationalmannschaften (2x Gold, 6x Silber, 3x Bronze). Für Russland war es der 18. (!) EM-Titel und der erste seit 2001. Punktbeste Spielerinnen im Finale waren Margareta Kozuch (18), Heike Beier (11) für Deutschland sowie Nataliya Obmochaeva (28) und Tatiana Kosheleva (19) für Russland.

Copyright „Conny Kurth“
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Die beiden besten und einzig ungeschlagenen Mannschaften der EM trafen im Finale aufeinander. Wie sah die Taktik der deutschen Mannschaft gegen den Weltmeister aus, der bislang in herausragender Manier durch die EM marschierte und vor allem durch sein herausragendes Blockspiel imponierte? Schnell wurde klar: durch enormes Risiko und Druck im Aufschlag. Fast jeder erste Ball wurde auf Angriffsstar Tatiana Kosheleva serviert, um diese zu beschäftigen und im Angriff aus dem Spiel zu nehmen. Der Anfang misslang, weil die Russinnen mit ihrer stärksten „Waffe“, dem Block zupackten (0-4). Doch in der Folge griff das Konzept von Guidetti, auch weil Diagonalangreiferin Nataliya Obmochaeva einige Angriffsfehler unterliefen. Beim 13-12 hatte der Gastgeber erstmals die Führung inne, die aber durch den gegnerischen Block wieder zunichte gemacht wurde (14-15). Bis zum 18-21 lief der Gastgeber einem Rückstand hinterher, dann sorgte ein Beier-Ass für den Ausgleich (22-22). Doch die nächsten zwei Zähler gingen an Russland, das bedeutete Satzbälle. Den ersten wehrte die eingewechselte Hippe noch ab, beim zweiten sprang der Ball vom deutschen Block unerreichbar weg. Russland war deutlich stärker im Angriff und Block, produzierte aber auch deutlich mehr Fehler (GER: 1 / RUS: 10).

Der Favorit hatte gewackelt, war aber noch einmal „davon“ gekommen. Doch der Gastgeber hatte gesehen, dass mehr möglich ist in diesem Finale. Der Start in Satz zwei gelang perfekt: Die Aufschläge mit Druck, der Block auf der Höhe. Guidetti ballte bei den Punkten die Faust (7-3). Russlands Trainer Yuriy Marichev reagierte und wechselte die bis dahin unter Form spielende Obmochaeva aus (Isaeva kam). Aber die junge russische Mannschaft war in dieser Phase „angeschlagen“ – das deutsche Team mit seinen Aufschlägen und die Zuschauer mit Stimme und Klatschpappe setzten dem Favoriten zu (13-7). Die deutsche Mannschaft büßte etwas an Vorsprung ein, aber Beier machte mit Angriffen gegen die „nur“ 1,78 Meter große Zuspielerin Pankova wichtige Punkte (17-13). Als Russland durch sein Blockspiel bis auf einen Zähler heran kam, nahm die Älteste das Heft des Handelns in die Hand: Ssuschke-Voigt punktete im Block und Angriff und vergrößerte wieder den Vorsprung (23-20). Brinker holte per Angriff den ersten Satzball, diesen wie auch den zweiten wehrte Russland ab. Doch beim dritten war Fürst per Aufsteiger zur Stelle und glich nach Sätzen aus. Das deutsche Team hatte sich im Block (GER: 3 / RUS: 3) und Angriff gesteigert (GER: 41% / RUS: 43%) und hatte klare Vorteile im Komplex Aufschlag-Annahme.

Es war längst eine Partie auf Augenhöhe, die das Publikum in der Halle begeisterte. Das körperlich deutlich unterlegene deutsche Team mit Emotionen, Spielwitz und Technik gegen die Power und Physis der Russinnen. Bis zum 9-7 lief alles bestens aus deutscher Sicht, dann griff die spanische Schiedsrichterin Susana Rodriguez in das Geschehen ein und wertete trotz gegenteiligen Videobeweises gegen die deutsche Mannschaft. Für kurze Zeit war der Gastgeber von der Rolle, fing sich aber schnell wieder (14-14). Als Russland die drei nächsten Zähler machte, waren Halle und Mannschaft gefordert. Und beide gaben alles, vor allem die eingewechselte Hippe machte ihre Sache abermals sehr gut und brachte ihr Team mit Angriffen und einem Ass ins Spiel zurück (20-20). Russland blieb vorne, Deutschland zog stets nach – ein packendes, hochklassiges Finale (22-22). Russland holte sich den ersten Satzball und ausgerechnet bei diesem scheitert Beier am Zuspiel-Block von Pankova. Die Statistik spiegelt das unterschiedliche Spiel beider Teams in Satz drei ziemlich gut wider: Deutschland ist im Angriff deutlich schwächer (GER: 29% / RUS: 44%), hat in der Annahme aber deutliche Vorteile (GER: 65% positiv / RUS: 14% positiv).

Zwei Blockpunkte für den Weltmeister sowie ein Ass führten zum deutschen Fehlstart (3-6), aber die DVV-Auswahl schlug zügig zurück. Kozuch per Aufschlag und Angriff brachte den Anschluss (6-7). Dann jedoch eine Schwächephase, die vorentscheidend sein konnte: Ssuschke-Voigt in den Block, Kozuch mit zwei Angriffsfehlern und Beier mit einem Annahmefehler – der Weltmeister hatte sich abgesetzt (7-12). Guidetti brachte Jennifer Geerties und Anja Brandt (für Brinker und Ssuschke-Voigt), für Brandt war es der erste EM-Einsatz überhaupt. Geerties punktete zweimal beherzt von der Außenposition, aber Russland blieb dominant (11-17). Hippe kam nochmals für Beier – jetzt oder nie mehr in diesem Finale lautete die Devise. Aber der Weltmeister war nun auf der Siegerstraße und ließ sich davon nicht mehr abbringen. Die DVV-Frauen kämpften weiter um jeden Ball, aber Kosheleva kannte nun keine Gnade (14-22). Dem deutschen Team gelang kein Punkt mehr, Russland war der verdiente Europameister und Deutschland ein hervorragender Finalteilnehmer und Silbermedaillengewinner, der den Welt- und Europameister bis an seine Grenzen gebracht hatte.

Stimmen zum Spiel

Russlands Ekaterina Pankova: “Deutschland hat sehr gut aufgeschlagen und uns damit unter Druck gesetzt. Es war nicht einfach für uns, einen guten Angriff aufzubauen. Danke an das gesamte Team, aber auch die Fans in Deutschland. Wir haben uns hier sehr wohl gefühlt.“

Deutschlands Kapitän Margareta Kozuch: “Gratulation an Russland. Sie haben sehr gut gespielt. Wir haben viel Energie gebaucht, um im Spiel zu bleiben. Es war von Anfang an ein umkämpftes Spiel, in dem die russischen Angreiferinnen brillant gespielt haben. Wir habe versucht viel Druck auf sie aufzubauen, aber am Ende war es einfach nicht genug. Trotzdem bin ich sehr stolz ein Teil dieses Teams zu sein. Wir haben die Chance genutzt unseren schönen Sport einem großen Publikum zu präsentieren.“

Russlands Trainer Yuriy Marichev: “Es war definitiv das schwierigste Spiel für uns. Deutschland hat sehr gut aufgeschlagen. Beim Abschlusstraining haben wir noch probiert die Aufschläge des deutschen Teams nachzustellen. Ich habe meinen Spielerinnen gesagt, dass sie sich auf ihre Stärke am Netz konzentrieren sollen- und es hat geholfen.

Deutschlands Trainer Giovanni Guidetti: “Russland war das überragende Team der EM. Sie haben Serbien und die Türkei 3:0 besiegt. Der Unterschied zwischen der russischen Offensive und unserer Offensive war einfach zu groß. Wir standen zum zweiten Mal hintereinander im Finale einer EM, wir können stolz sein, dass wir das erreicht haben. Dazu hatte Russland 18 Blocks und wir neun. Danke an das gesamte Team. Sie haben in diesem Sommer großartige Arbeit gemacht und ich bin stolz, dass ich der Trainer dieser Mannschaft sein darf.“

Heike Beier: „Im ersten Moment waren wir natürlich alle sehr traurig. Wir hatten fünf Spiele in Folge gewonnen und verinnerlicht, jetzt auch Gold zu holen. Im Kreis nach dem Spiel flossen natürlich auch Tränen, doch nach zwei objektiven Sätzen war uns klar: Wir haben so viel geschafft und freuen uns über Silber! Wir haben eine große Euphorie in Deutschland für Volleyball entfacht, die bleibt. In der Bundesliga sind die Hallen zwar nicht so groß, aber die Leute sind genauso begeistert.“

Corina Ssuschke-Voigt: „Wenn man ein Resümee zieht, dann habe wir einfach gekämpft wie die Löwen. Darauf können wir stolz sein. Und jetzt haben wir noch ein Jahr, dann geht bei der WM wieder alles von vorne los.“

Saskia Hippe: „Die Atmosphäre war einfach der Wahnsinn! Es war mein großer Traum, hier zu spielen, und der ist wahr geworden. Die Enttäuschung war anfangs natürlich groß, aber wir haben so viel erreicht. Die Russinnen sind uns athletisch einfach überlegen. Aber wir sind stolz, was wir hier in Deutschland bewegt haben.“

Anja Brandt: Die Russen sind einfach so hoch. Wir hatten zwar eine Chance im dritten Satz, konnten sie aber nicht nutzen. Dennoch sind wir zufrieden und glücklich. Es ist nur traurig, dass die vier Monate, die wir zusammen hatten, jetzt schon vorbei sind. Aber ich freue mich auch auf die Bundesliga.“

Copyright „Conny Kurth“
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Die Individualauszeichnungen

MVP: Tatiana Kosheleva (RUS)

Beste Punktesammlerin: Lise van Hecke (BEL)

Beste Angreiferin: Jovana Bracocevic (SRB)

Beste Blockerin: Christiane Fürst (GER)

Beste Aufschlägerin: Margareta Kozuch (GER)

Bester Libero: Valerie Courtois (BEL)

Beste Annahmespielerin: Suzana Cebic (SRB)

Beste Zuspielerin: Ekaterina Pankova (RUS)

 

Belgien schreibt Geschichte – EM-Bronze durch 3:2 gegen Serbien

Fair Play-Preis geht an Belgiens Trainer Gert Vande Broek

Die belgischen Frauen haben erstmals in der EM-Historie eine Medaille gewonnen. Das Überraschungs-Team der EM sicherte sich durch ein 3:2 (23-25, 25-21, 28-26, 21-25, 15-11) gegen den entthronten Titelverteidiger Serbien die Bronzemedaille. Vor 7.500 Zuschauern in der Berliner Max-Schmeling-Halle lieferten sich beide Teams ein umkämpftes, hochklassiges Spiel, das am Ende in den Belgierinnen den verdienten Sieger sah. Überragende Spielerin war Lise van Hecke mit 35 Zählern.

Der europäische Volleyball-Verband CEV hat in diesem Jahr die neue Kampagne „Fair Play. Volleyball Play.“ kreiert. Die EM-Organisatoren unterstützen diese und vergaben bei der Finalrunde in Berlin einen Fair Play-Preis. Dieser ging an den belgischen Chef-Trainer Gert Vande Broek. Der sympathische Belgier bekam den vom deutschen Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich gestifteten Preis von Fair Play-Botschafter Rainer Schmidt überreicht. Der paralympische Tischtennis-Spitzensportler Rainer Schmidt wurde 2012 zum nationalen Botschafter für Fair Play und Toleranz ernannt und erhielt selbst 2007 den deutschen Fair Play-Preis. Vande Broek hatte sein Team nicht nur zur ersten Medaille in der EM-Historie geführt, sondern war an der Seitenlinie ein Vorbild an Fairness und Verhalten.

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